
Die Bundesregierung will die Wärmenetze dekarbonisieren – das ist erst mal keine schlechte Nachricht. Gerade wenn man an das jüngst ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts denkt, dass es der Regierung untersagt die 60 Milliarden Euro an ungenutzten Kreditermächtigungen, die ursprünglich für den Kampf gegen die Corona-Pandemie gedacht waren, rückwirkend in den Klima- und Transformationsfonds zu verschieben, sollte man sich über jeden neuen Impuls der Politik in Bezug auf den Klimaschutz freuen. Und doch kann und muss man sich fragen, wie sinnvoll das neue Wärmegesetz in diesem Kontext ist, und ob die Wärmewende nicht auch ohne kommunale Wärmeplanung gelungen wäre. Schließlich bleibt das Quartier der optimalen Lösungsraum und somit die Quartiersentwicklung das optimale Arbeitsinstrument zum Erreichen der Klimaschutzziele, wie viele neuere Projekte bereits zeigen. Denn die nötige interdisziplinäre Kompetenz ist für Quartiersentwickler längst selbstverständlich.
Detaillierte Kritik aus der Branche
Entsprechend wurde das neue Gesetz von diversen Branchenteilnehmern nicht gerade mit offenem Herzen begrüßt, es hagelte viel mehr Kritik. Viele sehen schon die Tatsache, dass die Gemeinden für die Umsetzung zunächst einmal entsprechendes Know-how aufbauen müssen, als problematisch, weil das den Planungsprozess bremst. Selbst wenn der von der Bundesregierung gesetzte Termin für das Inkrafttreten der einzelnen Wärmeplanungen unwahrscheinlicher Weise eingehalten werden sollte – 30. Juni 2026 für Großstädte und 30. Juni 2028 für Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern –, seien das letztlich verschwendete Jahre.
Andere bemängeln, dass nach Länderrecht über die jeweils zuständige Stelle in den Kommunen entschieden wird und in Folge dessen zwangsläufig ein föderaler Flickenteppich entsteht, der Quartiersentwicklung künftig sicher nicht unkomplizierter machen wird. Und wieder andere sehen einen entscheidenden Fehler darin, dass die Quartiersentwickler künftig daran gebunden sein könnten, welchen Weg die jeweilige Kommune für sich wählt – ob sie also ihre Wärmeplanung vollständig auf Fernwärme aufbauen oder lieber auf dezentrale Konzepte setzen will, beziehungsweise einen wie auch immer gearteten Mittelweg anstrebt. Ihre Befürchtung: Bei einer zu strikten Festlegung auf Fernwärme wäre die vorgeschriebene Dekarbonisierung der Netze zwar schwer zu erreichen, weil der dafür genutzte Energiemix weiterhin zu großen Teilen auf der Verbrennung von Kohle und Gas beruht. Für die Planer in den Kommunen könnte dieser Weg dennoch attraktiv sein – der einfacheren Umsetzung wegen und weil damit die Verantwortung für mehr regenerative Energie allein auf Bundesebene läge. Im Extremfall könnten Kommunen danach sogar nach § 109 GEG einen Anschluss- und Benutzungszwang Fernwärme auch für Quartiere durchzusetzen, die bereits über eine klimaneutrale Wärmeerzeugung verfügen.

Planung braucht Expertise!
Fehlentwicklungen solcher Art ließe sich natürlich einfach vorbeugen, würde man Experten aus der Quartiersentwicklung an der kommunalen Wärmeplanung beteiligen – aber genau das sieht das Gesetz leider nicht vor. Nur die jeweiligen örtlichen Betreiber der Energieversorgungs- und Wärmenetze müssen zur Planung hinzugezogen werden, die Beteiligung von Quartiersentwicklern bleibt optional.
Tatsächlich fehlte die praktische Expertise der Quartiersentwickler bereits im gesetzgebenden Verfahren. Andernfalls würde der Leitfaden für die Kommunen mit Sicherheit keine vollständige Bestandsanalyse an den Anfang der Planungen setzen, sondern eine Potentialanalyse, denn: Wärme ist meist bereits da!
Mit einer Potentialanalyse könnte man erst mal prüfen, wo eventuell Geothermie möglich ist, wo Abwärme von Industrie oder Rechenzentren genutzt werden kann und welche Abwasserdruckleitungen potentiell welche Leistung bieten könnten. Auf diese Erkenntnisse könnte man dann eine Bestandsanalyse sinnvoll aufsetzen und würde so auch eine allzu bequeme Festlegung auf eine – im Vergleich deutlich ineffizientere – Versorgung per Fernwärme verhindern. Doch die starre, sequenzielle Form der gewünschten Planung lässt keine Flexibilität zwischen den einzelnen Schritten zu, was den Planungsprozess unnötig verlängert und verteuert.

Plädoyer für dezentrale Lösungen & Sektorenkopplung
Dezentrale Wärmeversorgung auf Basis vorhandener Potentiale ist in den meisten Fällen deutlich effizienter, nachhaltiger und günstiger als eine raumübergreifende kommunale Planung. Schon allein deshalb, weil sie entsprechend individueller Gegebenheiten verbrauchsnah produziert und verteilt wird. Ein wichtiger Punkt in diesem Kontext ist die Sektorenkopplung: Dadurch, dass das Wärmegesetz ausschließlich den Sektor Wärme regulieren will, aber den Sektor Energieerzeugung ausblendet, schafft es überhaupt erst den Raum für eine vergleichsweise ineffiziente Festlegung auf Fernwärme.
Klar ist, dass die vollständige Umstellung der bundesweiten Stromproduktion (und damit auch des zur Wärmeerzeugung benötigten Stroms) auf regenerative Energien noch einige Zeit brauchen wird. In den Quartieren ist das anders. Hier werden heute schon die Sektoren Wärme und Energie von den Entwicklern zunehmend zusammengedacht. Das heißt, die dezentrale Wärmeversorgung wird auch mit dezentral produziertem Strom auf Basis regenerativer Energien betrieben, wie beispielsweise über Photovoltaik. Eine konsequente Quartiersperspektive würde somit die Wärmeversorgung des Gebäudebestands aus der Gesamtmenge des bundesweit zu erzeugenden grünen Stroms herausnehmen. Eine echte Win-win-Situation.
Mutig nach vorne blicken – ein (dennoch) optimistisches Fazit
Bei all der – hier nur angerissenen - Detailkritik an der kommunalen Wärmeplanung bleibt unterm Strich festzuhalten, dass sich für die meisten Probleme immer auch passende Lösungen finden. Darauf sollte sich die Branche nun konzentrieren. Denn unsere Kernkompetenz ist nicht Regierungskritik, sondern die Fähigkeit, mit unterschiedlichsten Gegebenheiten umzugehen und bestmögliche Konzepte dafür zu entwickeln.
Stand heute ist die kommunale Wärmeplanung zwar weder für Quartiersentwicklern noch für Energieversorger und Kommunen so hilfreich, wie sie gedacht ist. Aber sie muss auch nicht schädlich sein. Jedenfalls dann nicht, wenn sie effizient und zügig umgesetzt wird. In jedem Fall falsch hingegen wäre es, wenn sich Quartiersentwickler aufgrund ihrer Bedenken nun mit neuen, innovativen Ansätzen zurückhalten, um auf die Wärmeplanung der jeweiligen Kommune zu warten. Der Klimawandel wartet auch nicht.
Die Zeit zum aktiv werden ist – jetzt.
Wir danken dem Open District Hub (ODH) für die uns freundlicherweise zur Verfügung gestellten Grafiken. Mehr zum ODH unter: https://opendistricthub.de/